Fernwärme

75 Jahre Fernwärme

Dich interessieren historische Fakten? Dann schau dir den ausführlichen historischen Bericht an und entdecke dabei manch Kurioses.

75 Jahre Fernwärme

Vom „Projekt 13“ zum Fernwärmenetz in Neumünster

„Projekt 13“ – unter diesem mysteriösen Namen liefen bereits im Jahr 1928 die ersten Untersuchungen zur Errichtung eines Heizkraftwerks durch die „Städtische Kraft- Wasser- und Verkehrswerke Neumünster“. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde in den Industriestaaten mit der Kraft-Wärme-Kopplung experimentiert. Erste Anwendungen fanden Fernheizungen in großen Krankenanstalten, wie z.B. Beelitz bei Berlin. Im Jahr 1900 war schließlich die Stadt Dresden ein Vorreiter in der Versorgung durch eine „Städteheizung“, wie es damals hieß. Hier wurde u.a. die Semperoper mit Wärme versorgt. 

In Neumünster lag es dagegen wohl nicht an der 13 im Namen, dass die fortschrittlichen Pläne zunächst noch nicht in die Tat umgesetzt werden konnten, sondern an der einsetzenden Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929.

Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg

Aber schon bald nach Ende des 2. Weltkrieges besann man sich an der Bismarckstraße wieder darauf, die Pläne für eine Fernwärmeversorgung in die Tat umzusetzen. Ein wesentlicher Grund hierfür war, den Kraftwerkstandort Neumünster unersetzbar zu machen, denn tatsächlich war die Existenz der Stadtwerke nach dem Krieg bedroht: Zunächst die britische Besatzungsregierung, in der Folge aber auch die Landesregierung Schleswig-Holstein, planten deren Schließung. Bereits seit den 1920er Jahren befand man sich mit den Städten Kiel und Flensburg in einer Betriebsgemeinschaft, die weite Teile Schleswig-Holsteins mit Elektrizität versorgte. Nach dem Krieg hieß es jedoch, Neumünster könne mit seinen damaligen Anlagen, insbesondere mit dem Kühlturmbetrieb, nicht mit den anderen beiden Städten und den sonstigen Zulieferern von Strom konkurrieren. So wurde das hiesige Kraftwerk nur noch als Spitzendeckungskraftwerk eingesetzt. Der Bau eines Fernheizwerk jedoch, mit einem ausgedehnten System von Fernwärmeleitungen in der Stadt, würde die Stadtwerke zu den Betreibern moderner Großkraftwerke aufschließen lassen und sie gegenüber diesen wieder konkurrenzfähig machen. Natürlich dachte man auch an das bestechende Argument für den Verbleib der Stadtwerke, da ja Fernwärme immer eine lokale Angelegenheit bleiben muss – schließlich ist sie auf kurze Wege bei der Dampfversorgung angewiesen. Im Fernwärmeplan der Stadtwerke von 1947 wird nicht nur auf den wirtschaftlichen Aspekt der Verwertung der Verlustwärme des Kraftwerks hingewiesen, sondern auch auf die Vorteile für die Menschen in Neumünster: „In sozialer Hinsicht sind die Verbesserungen der Lebensbedingungen in hygienischer Beziehung durch den Fortfall vieler rauchender Schornsteine und die Möglichkeit, nebenbei die neu oder wieder zu errichtenden Stadtteile günstig mit Wärme zu versorgen, von besonderer Bedeutung.“

Neumünster ist die erste Stadt in Schleswig-Holstein mit einem Fernheizwerk 

Aber erst nach der Währungsunion in Westdeutschland im Jahr 1948 waren mit der Einführung der D-Mark mit einem Male die Lieferschwierigkeiten für Baumaterial beendet. Nun begann man zügig mit der Umsetzung einer Fernwärmeversorgung unter der Leitung des visionären technischen Leiters Dipl. Ing. Bruno Klinker und des findigen Ingenieurs Fritz Ramisch. Der Ausbau geschah in zwei Etappen: Zunächst wurden an der Ferndampflieferung interessierte Abnehmer aus der Industrie angeschlossen und über eine behelfsmäßige Reduzierstation mit gedrosseltem Frischdampf versorgt. Gleichzeitig wurde das bestehende Kondensationskraftwerk in ein modernes Heizkraftwerk umgebaut. Neumünster war damit die erste Stadt in Schleswig-Holstein und erst die vierte im ganzen Bundesgebiet mit einem Fernheizwerk. Entsprechend groß wurde die Inbetriebnahme am 10. Dezember 1950 gefeiert, und Neumünsters legendärer Oberbürgermeister Walter Lehmkuhl eröffnete die Anlage mit einem beherzten „Ventile auf!“. Nun konnte die rasch steigende Zahl von Abnehmern mit Anzapfdampf aus der neuen Turbine versorgt werden. 

Industrie als erste Kunden

Die ersten Abnehmer von Fernwärme waren allerdings nicht besonders fern: Zunächst versorgten sich die Stadtwerke selbst. Als erster Kunde erhielt darauf im August 1948 die AEG, deren Firmengebäude in der Goethestraße quasi direkt um die Ecke lagen, einen Anschluss. Bald folgten die Norddeutschen Baustoffwerke und das Eisenbahn-Ausbesserungswerk. Bis Ende der 1950er Jahre war die Industrie mit über 80 % der Fernwärmeabgabe die weitaus größte Abnehmerin. Doch für die Neumünsteraner Bevölkerung wurde Fernwärme bald auch im Stadtbild sichtbar – nicht nur durch die Baustellen bei der Verlegung der Leitungen, sondern vor allem auch im Winter, wo sich nun trockene Pflasterstreifen durch die verschneiten Straßen zogen, unter denen Fernwärmeleitungen verlegt worden waren. Bereits ein minimaler Temperaturunterschied genügte hier. 

1974 neues Heizkraftwerk eingeweiht

Bis 1950 steigerte sich die Jahresabgabe auf 11.000 t Dampf bei einer 2,3 km langen Leitung. 1960 waren es bereits mehr als 150.000 t – diese Menge verdreifachte sich im folgenden Jahrzehnt noch einmal. 1974 wurde schließlich ein neues Heizkraftwerk eingeweiht.

Wesentlich für Erfolg des Fernwärmenetzwerkes in Neumünster waren letztlich auch Kredite und Zuwendungen aus verschiedenen Töpfen. So wurde der Ausbau des Netzes durch einen Kredit des ERP (Marshall-Plan) gefördert, vor allem aber später auch durch das „Zukunftsinvestitionsprogramm“ von Land und Bund sowie verschiedenen Energiesparprogrammen der Regierung. 1983 wurde der Ausbau des Fernwärmenetzes auf eine Gesamtlänge von 75 km gefeiert, immerhin schon die Hälfte der heutigen Netzlänge:

Mitte der 1980er Jahre produzierten die Stadtwerke 1,15 Millionen Tonnen Dampf pro Jahr und versorgte neben Industrie und öffentlichen Gebäuden über 11.000 Wohnungen. Wie rasant der Ausbau des Fernwärmenetzes seit den 1970er Jahren voranschritt, lässt sich auch an einer ganzen Reihe von Zeitungsartikeln ablesen, in denen von aufgerissenen Straßen und Großbaustellen die Rede war. Wie nah Freud über die neue Wärmeversorgung und Leid über die vielen Baustellen in Neumünster beieinander lagen, illustriert folgende Zeitungsanzeige des EDEKA-Marktes in der Goethestraße:

Dampflok aus Museum ausgeliehen zum Überbrücken bei Bauarbeiten 

Wie findungsreich man im Bereich der Fernwärmeversorgung in Neumünster war, zeigt folgende Geschichte aus dem April 1993: Schon länger wurden die Produktionsstätten der heute nicht mehr existierenden „Nordfaser“, damals der größte Arbeitgeber in Neumünster, für die Produktion ihrer Garne mit Fernwärme versorgt. Nun war es zu Beginn der 1990er Jahre an der Zeit, diese Leitungen zu erneuern, allerdings durfte es in der Garnproduktion keine Unterbrechungen geben, die Kunstfasern durften nicht vorschnell auskühlen. Was also tun – die Versorgung mit Dampf musste ja überbrückt werden?

Ein Abzweig der Bahnstrecke von Neumünster nach Ascheberg, die noch bis 1995 für den Güterverkehr zu den größten Betrieben in Tungendorf genutzt wurde, führte am Werksgelände der Nordfaser vorbei. Ein findiger Kollege mit besten Kontakten dachte sich, dass ja im Stadtgebiet Neumünster noch einige mächtige alte Dampferzeuger relativ ungenutzt herumstehen: Nämlich im DB Museum Neumünster (heute: Kulturlokschuppen)! Er erreichte, dass sich die Stadtwerke für einen Tag die nach dem Krieg weit verbreitete Dampflok Typ 042 271-7 (Baujahr 1939) „borgen“ durfte. Wie man auf dem Foto sieht, handelte es sich hier um ein ziemliches Ungetüm mit einem mächtigen Dampfkessel. Im Rahmen der Umschlussmaßnahmen bei der Nordfaser wurde die Dampflok vorgefahren und der von ihr abgezapfte Dampf zur Überbrückung genutzt. Die Nordfaser-Angestellten trauten ihren Augen nicht! Die Idee ging auf. Noch heute erzählen sich die Stadtwerker, die damals dabei waren von dieser Glanzleistung an Improvisation.

Seit 2005 – Ersatzbrennstoff aus Restmüll

Inzwischen hat sich in der Erzeugung von Fernwärme noch so einiges mehr geändert. Seit 2005 ersetzen TEV (Thermische Verwertungsanlage) und MBA (Mechanische Behandlungsanlage für Abfälle) und effiziente Erdgaskessel die ehemaligen Kohlekessel. Und drei Jahre später begann man das Fernwärmesystem von 180 Grad heißem Dampf auf 120 Grad heißes Wasser umzustellen, was eine nochmals erhöhte Wirtschaftlichkeit garantieren soll und bis 2035 abgeschlossen sein wird. 

Und heute?

Die Nachfrage nach Fernwärme ist grade in den turbulenten letzten Jahren wieder stark angestiegen. Auch im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung nimmt die Fernwärme für Neumünster eine ganz wesentliche Bedeutung ein: Die Klimastrategie der Stadt und aller städtischer Töchter wäre ohne das Netz gar nicht denkbar. Daher arbeiten viele Bereiche von SWN Hand in Hand daran, das Kraftwerk zu dekarbonisieren und den Einsatz von Erdgas vollständig durch erneuerbare Wärmequellen zu ersetzen. 

Zu unserem Fernwärme-Produkt

Die Entwicklung der zentralen Wärmeversorgung in Neumünster

Das könnte dich auch interessieren:

Nachhaltigkeit

SWN setzt auf insektenfreundliche Beleuchtung

Nach Energiesparmaßnahmen in den Bürogebäuden und der Einführung von Energiemanagement Systemen für die Betriebsanlagen, wird SWN nun auch die Außenbeleuchtung für Insekten optimieren.

Mehr erfahren
Wärmepumpe

Wie kommt die Wärmepumpe in mein Haus?

Du möchtest wissen, welche einzelnen Schritte erledigt werden müssen von der ersten Überlegung bis hin zur funktionierenden Wärmepumpe?  Hier haben wir dir die Details einmal übersichtlich aufgelistet.

Mehr erfahren
Wärmepumpe

Wie laut ist eine Wärmepumpe?

Die Ventilatoren einer Wärmepumpe können Geräusche erzeugen. Moderne Geräte sind technisch sehr gut entwickelt in Bezug auf Lärmprävention. Erfahre hier mehr.

Mehr erfahren